Jetset Life – Herzlich Willkommen am Flughafen
Ms. Xenia Overdose und Co. haben es vorgemacht: mindestens ein perfekt posiertes Flughafen-Selfie pro Woche, um wieder einmal zu zeigen, in welchen Winkel der Erde es einen gerade verschlagen hat: Ob nun 2 Tage Mailand auf der Fashionweek, ein Kurztrip nach Bali für das obligatorische Foto auf der Reisfeldschaukel, oder doch für den kleinen Hunger zwischendurch zum Brunchen nach Los Angeles. Für manche Fashionbloggerin / Influencer ist das mittlerweile Alltag. Jetset Life wie es im Buche steht. Dabei sitzt natürlich immer jede Strähne der Frisur, der Lidstrich ist perfekt und die Klamotten sind selbstredend aus der neuen D&G Kollektion. Die Authentizität dieser Bilder ist unbestreitbar … nicht.
Rollen wir doch mal auf, wie das im realen Leben so aussieht, wenn man Teilzeit am Flughafen wohnt. Willkommen zum Fake Friday. Setzt euch hin, lehnt euch zurück und lasst mich euch ein bisschen was erzählen…
Vorab möchte ich natürlich erwähnen, dass ich hier niemanden persönlich angreifen möchte. ( Man muss das ja heutzutage dazu sagen)
Wie ein paar von euch vielleicht mitbekommen haben, ist es hier in letzter Zeit relativ still um mich geworden. Das liegt zum Hauptteil daran, dass ich meinen Job gewechselt habe und nun ebenfalls ziemlich oft geschäftlich durch die Weltgeschichte reisen muss. Dabei ist mir aufgefallen, dass die Friede-Freude-Eierkuchen-Jetset-Welt, die unsere lieben Damen uns allen weismachen wollen, einige Fehler in der Gleichung hat.
Lasst mich erklären:
1. Akute Stolpergefahr statt Koffer-Euphorie.
https://www.instagram.com/p/Bdz_O0cHvBC/?taken-by=carodaur
Nach dem 3. Flug innerhalb von 2 Wochen habe ich zwei Sachen gelernt, was mein Gepäck angeht: 1. Je kleiner, desto besser und 2. Den Koffer wieder zurück in den Keller zu packen und ihn jede Woche die Treppen im Galopp rauf und runter zu schleppen, macht null Sinn. Also liegt der Koffer mittlerweile allzeit einsatzbereit im Flur. Das bedeutet allerdings auch, dass ich gefühlte zwanzigtausend Mal schon über meinen guten alten Reisekumpanen gestolpert bin. Wie ich mich panisch an der Flurgarderobe festkralle um nicht der Länge nach auf dem Boden zu landen, sieht dann gar nicht mehr so grazil aus. Ich könnte mich natürlich imposant neben meinen Koffer stellen und den Taxifahrer bitten, ein „Ich bin dann mal weg“-Foto von mir zu machen … aber da gibt es so eine kleine Sache, die ich „Stolz“ und „Würde“ nenne, die mich davon abhalten. Ganz abgesehen davon, dass ich gerne kurz vor knapp im Abflugbereich erscheine. Keine Zeit für die Instagram „Realness“…
Und ganz nebenbei – den begeisterten und beinahe schon seeligen Blick von Miss Daur hier kann ich kein Stück nachvollziehen. Mein Gesichtsausdruck wäre definitiv eher im Bereich „Fuck – wie zur Hölle kriege ich drei Koffer über den Kontinent bewegt, wenn ich nur zwei Hände habe?“ einzuordnen gewesen. Gut, man muss natürlich auch zugeben, dass ich keinen persönlichen Fotografen im Gepäck habe, der mir da behilflich sein könnte. Shame.
2. Der Kaffee-am-Gate-Mythos
https://www.instagram.com/p/BcYIc_3HsGn/?taken-by=ohhcouture
Kennt ihr das? Diese wunderschönen Instagram-Fotos von Starbucksbechern mit dem Hashtag #noch30minutenbiszumBoardingundjetzterstmaleinenKaffee ? Klar, natürlich. Dumm nur, dass die meisten Starbucksfilialen VOR dem tatsächlichen Security Check sind und man den guten Kaffee nicht in aller Ruhe am Gate trinken kann, weil in deinem Kaffebecher anscheinend flüssiger Sprengstoff ist und er dir beim Check sofort aus der Hand geschlagen werden würde . Ganz zu schweigen davon , dass mein LETZTER Gedanke ein Instagram Foto von meiner Kaffeetasse ist, wenn ich mich um 4:30 Uhr nachts aus dem Bett quälen muss, um den ersten verdammten Flieger nach London zu bekommen. Ich bin froh, wenn ich um diese Uhrzeit nicht vergesse meine Hose anzuziehen, Leute! Richtig wach wird man dann erst, wenn man nach dem Security Check tatsächlich noch kurz einen Kaffee schlürfen möchte und gefühlt 8 EUR pro Tasse zahlen muss. Schnäppchen!!! Da fängt der Tag doch super an.
3. Outfit of the Day
https://www.instagram.com/p/BbSe7KXDate/?taken-by=xeniaoverdose
Nope, Nope, Nope und nochmals Nope. Ihr könnt mir erzählen, was ihr wollt, aber wenn ich einen 10 Stunden Flug von München nach Los Angeles vor mir habe, dann ist das letzte Outfit, in das ich mich schmeißen würde ein Blazer mit Anzughose. Versuchen wir das ganze doch mal mit Leggings, Kuschel-Sweater und Flauschsocken – da kommen wir der Sache schon näher. Am besten ein Sweater mit Kapuze, damit man die wuscheligen Haare und das ungeschminkte Gesicht verstecken kann. Warum sollte ich auch Energie verschwenden, mit einem makellosen Teint ins Flugzeug einzusteigen? Nennt mich verrückt, aber nach 10 Stunden sieht selbst das beste Make up am Ende eher aus wie eine schlechte Interpretation des Joker.
4. Holzklasse des Supercomforts
https://www.instagram.com/p/Bb-JAwUjYNn/?taken-by=xeniaoverdose
Tja, für uns Normalos gibt es leider keinen Business Flug gratis aufs Haus. Die Wahrscheinlichkeit ohne besondere Airline-Mitgliedskarte für ein Upgrade ausgewählt zu werden ist ungefähr so hoch wie ein 6er im Lotto. Und Holzklasse zu fliegen, ist wirklich alles andere als fancy. Besonders dann nicht, wenn euer Karma verkorkst ist und ihr einen Mittelplatz bekommen habt. Das bedeutet für euch die nächsten Stunden im Schwitzkasten eurer beiden neuen besten Freunde – Mr Fensterplatz und Mr Gangplatz – zu verbringen. Wenn ihr Pech habt, müsst ihr euch die komplette Lebensgeschichte von Mr Fensterplatz anhören, während Mr Gangplatz dagegen eher von der Sorte „Sprichst du mich an, mach ich Schaschlik aus dir. Auch nicht, wenn du aufs Klo musst.“ ist.
Ganz zu schweigen davon, dass sich die Polster der Holzklassensitze nach zwei, drei Stunden wie Nagelbretter in deinem Rücken anfühlen. Fun, Fun, Fun.
5. Der 5 Sterne Flugzeug Schmaus
https://www.instagram.com/p/BXSAQTsgd5a/?hl=de&taken-by=inflightfeed
Ihr könnt natürlich Glück haben und eure Flüge sind eher kurz – nach London, Hamburg, Milan oder Paris zum Beispiel. Dann kommt ihr mit einem blauen Auge aka einem sehr fragwürdig aussehenden Eier-Sandwich oder Pizzastück im Flugzeug davon.
Auf dem 13 Stunden Flug in die USA sieht das ganze schon anders aus. Hier kommt ihr in den vollen Genuss der Bordküche in Form eines bis zum Rand vollen Tabletts von „Köstlichkeiten“.
Problem Nummer 1: Ihr habt sechs verschiedene Schälchen vor euch stehen, irgendwo liegt noch ein Brötchen und das Besteck ist in eine winzige Ritze gequetscht worden. Es ist wie Jenga spielen: das falsche Schälchen vom Tablett zu nehmen kann das ganze Konstrukt zum Einsturz bringen. Ganz zu schweigen davon, dass ihr auf dem Mittelplatz keinerlei Armfreiheit habt, richtig mit dem Besteck zu handtieren, denn ihr könnt ja schlecht beim Versuch das Brötchen zu schmieren Mr Fensterplatz und Mr Gangplatz eure Ellenbogen in die Seiten rammen. Ihr geht also in T-Rex Haltung und versucht mit minimal-invasiven Bewegungen euer Tiramisu zu essen.
Problem Nummer 2: Der Großteil des Flugzeugessens schmeckt entweder nach absolut gar nichts und ist einfach nur ein Widerstand zum darauf Rumkauen oder es schmeckt nach warmen Gummi mit Dressing obendrauf. Ihr habt also die Wahl – hungrig bleiben oder Augen zu und durch. Jedenfalls, falls ihr es tatsächlich geschafft habt, das Jenga-Tablett nicht zum Einsturz zu bringen!
Fazit: Lasst euch von dem fancy aussehenden Jetset Lifestyle nicht täuschen, ihr Lieben. Versteht mich nicht falsch – Ich liebe das Reisen und ich liebe meinen Job – aber lange / super frühe Flugtage sind leider alles andere als glamourös und ich könnte gerne auf sie verzichten.