Interview mit Saralisa Volm zu ihrem Regiedebüt „Schweigend steht der Wald“
Am 27. Oktober startet „Schweigend steht der Wald“ in den Kinos. Vor dem Hintergrund einer verschwundenen Person behandelt der Film Familienstrukturen und intergenerationale Schuld im historischen Kontext. Wir haben die Regisseurin Saralisa Volm zum Interview getroffen. Im Gespräch gibt sie einen Einblick in die Regiearbeit und welche Bausteine für einen Film nötig sind.
„Schweigend steht der Wald“ war dein Spielfilmdebüt, richtig?
Saralisa Volm: Ja. Die Arbeit an ihm hat mich an meine Wurzeln geführt. Das finde ich für ein Filmdebüt total schön. Deshalb ist es eigentlich ein großes Geschenk, dass dieses Buch zu mir kam.
Wie du eben erwähnt hast, handelt es sich um die Adaption des gleichnamigen Romans von Wolfram Fleischhauer: Was sind die Herausforderungen einer Buchadaption für eine Regisseurin? Wie wird ein Buch in Bildsprache umgesetzt?
Vielleicht ist das so eine Grundstruktur in den Gehirnen von Leuten, die Filme machen, dass wir, wenn wir etwas lesen, uns gleich vorstellen, wie es aussehen könnte. Meistens sind Bücher, natürlich länger, ausführlicher und weniger visuell als Filme. Ich glaube das ist der schwierigste Part, um ein Buch in einen Film zu übersetzen, weil wir natürlich Figuren und Stränge verlieren müssen. Ich denke, das kann auch hilfreich sein, weil man sich dann überlegen muss: Was ist denn das Wesentliche? Worum geht es hier eigentlich? Das herauszufinden ist sehr schön, auch wenn es oft schmerzhaft ist, weil man sich oft von Dingen trennen muss, um an den Kern zu kommen.
Was wäre bei diesem Film der Kern?
Es ist natürlich ein großer Themenkomplex, aber am Ende des Tages geht es um die intergenerationale Schuld und Verantwortung und auch um familiäre Verästelungen. Wir wollten uns darauf konzentrieren und haben es deshalb kondensiert. Was früher viel mehr Menschen betroffen hat, betrifft jetzt eine kleinere Gruppe, aber vielleicht dadurch mit fast noch mehr Intensität.
„Ich kenne diese Situation, ich kenne die familiären Strukturen“
Wie bist du denn auf das Thema aufmerksam geworden? Was hat dich dazu bewegt diesen Film machen zu wollen?
Ich habe mit Wolfram Fleischhauer bereits vorher einen Film gemacht: Ich war Produzentin und er Drehbuchautor. Er hat mir dieses Buch gegeben, weil ich selber aus Bayern komme. Wir hatten zuvor über Themen gesprochen, die das Buch auch behandelt. Ich habe das Buch gelesen und hatte gleich eine gute Verbindung dazu und dachte: „Ich kenne diese Situation, ich kenne die familiären Strukturen.“ Ich glaube, wenn man zu einem Stoff schnell eine persönliche, innere Verbindung herstellen kann, er einen nicht mehr loslässt und man mehr darüber wissen will, ist es ein gutes Zeichen, dass man sich damit ein paar Jahre beschäftigen möchte.
Gleich mehrere Jahre? Wie lief denn der Rechercheprozess ab?
Wir hatten natürlich durch die Romanvorlage und dadurch, dass wir einen Drehbuch- und Romanautoren hatten, der unfassbar penibel recherchiert, zum Glück jemanden dabei, der schon sehr viel Vorarbeit geleistet hat. Und trotzdem muss man natürlich bei manchen Dingen überlegen: Wie setzt man diese visuell um? Wir waren sehr früh schon vor Ort in der Oberpfalz und haben Motive gesucht. Wir haben uns überlegt, wo wir gerne drehen würden und haben dann wirklich für diese Motive geschrieben.
Sind die Drehorte historische Schauplätze?
Die Gegend ist richtig. Es ist natürlich eine fiktive Geschichte und auch den Hauptort gibt es nicht in echt, aber der Film erzählt von historischen Gegebenheiten, die hier in besonderer Form zum Tragen kamen, auch wenn viele vergleichbare Orte in Deutschland zu finden sind. Aus diesem Grund wollten wir dorthin. Auch der Roman ist hier angesiedelt.
Das ist ja wahrscheinlich auch der Vegetation wegen nicht ganz unerheblich?
Ja, es gibt dort den klassischen Fichtenwald. Wir wollten in Berlin noch einen kleinen Nachdreh machen – nur Pflanzenaufnahmen – was relativ schwierig war, denn dort gibt es dann hauptsächlich Kiefern und dann würde die Geschichte nicht mehr funktionieren.
Teile des Filmes gingen in bestimmten Bereichen sehr ins Detail, habt ihr vorher mit Experten gesprochen?
Wir haben Bodenkundler getroffen, uns mit Ärzten beraten und so weiter. Das ist ein sehr großer Teil des Prozesses und uns war es auch wichtig, das richtig abzubilden. Wenn nachher nur ein Förster im Publikum sitzt und denkt: „Ohje, was haben die denn da gemacht? Das ist ja alles Schmarren.“, dann fühlt sich das falsch an. Das wollten wir nicht und dementsprechend haben wir auch viel Zeit darauf verwendet zu gucken, dass etwa auch die Bodenproben stimmen.
„Wir versuchen eine gemeinsame Filmsprache zu entwickeln“
Was musstet ihr ansonsten beachten?
Für uns war es immer wichtig, dass wir in der Drehbuchphase den Figuren nahekommen. Für die Art von Film, die ich mache ist das immer entscheidend: Was sind das für Leute? Handeln die so, wie wir glauben, dass sie wirklich aus sich heraus handeln würden und nicht nur für den Plot? Ich glaube das ist der wichtigste Prozess. Danach kommt der Rest dazu und man entwickelt die Visualität.
Wie funktioniert das?
Ich sammle meist schon früh andere Filme, aber auch Bücher, Fotografien oder Gemälde, um eine Stimmung aufzubauen. Das ergibt dann ein Universum und damit gehe ich dann zur Szenenbildnerin oder zur Kameraperson. Die geben dann alle ihre Visionen hinzu und wir versuchen daraus eine gemeinsame Filmsprache zu entwickeln. So entsteht langsam ein Mosaik.
Welche Werke haben dich denn am meisten inspiriert?
Ich habe zum Beispiel sehr gerne die Bücher von Monika Helfer gelesen oder Oskar Maria Grafs „Das Leben meiner Mutter“. Also vieles, was unserer angestrebten Kargheit entspricht. Ich habe zum Beispiel auch viele Sachbücher gelesen wie „Das Böse“ von Rüdiger Safranski, aber ebenso Inspiration aus komplett anderen Genres bezogen, wie zum Beispiel Western, wo ich vielleicht die Stimmung interessant fand. Und dann gibt es natürlich noch Musik.
Im Falle von „Schweigend steht der Wald“ ist diese ja eher minimal, dafür sehr atmosphärisch gehalten. Wie darf man sich die Zusammenarbeit zwischen Regie und Komponist vorstellen?
Ich muss ehrlich zugeben, dass ich glaube, dass das immer anders ist. Ich habe keine Ahnung von Musik, wenn es um Terminologien geht. Die Musik hat ein sehr guter Freund von mir gemacht, Malakoff Kowalski, mit dem ich schon vorher zusammenarbeiten durfte. Was für uns sehr gut funktioniert ist, dass ich ihm eigentlich vielmehr die Gefühle vermittele, die die Musik übertragen soll und er setzt das dann mit seiner musikalischen Expertise um. Musik kann aber auch zur Erarbeitung eines Charakters eine Rolle spielen.
Inwiefern?
Es gibt zum Beispiel auch eine Playlist unserer Protagonistin. Wir haben überlegt: Was ist das für eine Person? Was hört die Ende der 90er wohl für Musik? Ist das eher Late Indie oder Early Hip Hop? Und dann haben wir eine Playlist für sie erstellt, die uns hilft ihre ganze Welt entstehen zu lassen.
„Ich bin wahnsinnig dankbar für diesen Cast“
Wie bist du denn an die Besetzung herangegangen?
Wir haben sehr früh schon die Protagonistin – gespielt von Henriette Confurius – gecastet. Ich wusste einfach sofort, dass ich will, dass sie diese Rolle spielt. Manchmal kann man das nicht erklären. Ich fand sie von Anfang an perfekt und ich war jeden einzelnen Tag am Set dankbar, dass ich auf mein Bauchgefühl gehört habe und dass sie sich bereiterklärt hat, das zu machen. Es ist natürlich für Schauspieler:innen auch eine Herausforderung mit jemandem zu arbeiten, für den es das Debüt ist, da sie sich nicht auf einen großen Erfahrungsschatz stützen können.
Wie liefen denn die Castings?
Wir hatten durch Corona das Problem, dass es gar nicht so leicht war Live-Castings zu machen. Wir haben dann eben versucht, die Leute zu treffen. Ich weiß gar nicht, wie viele winterliche Spaziergänge im Park ich hatte – weil man sich ja nicht zusammen in Räumen aufhalten durfte – um den Film zu besetzen. Es war zudem so, dass wir Leute finden wollten, die was mit dem Thema anfangen konnten, die bereit waren sich den Dialekt anzueignen, die sich einsetzen wollten für diesen Film. Das haben sie auch alle gemacht und ich bin wahnsinnig dankbar für diesen Cast.
Nach dieser ganzen Vorbereitung: Wie lange hat der Filmprozess an sich gedauert?
Wir haben ziemlich lange entwickelt und finanziert, dann hatten wir etwa zwei Monate Vorbereitungszeit und dann haben wir 25 Tage gedreht.
Zu guter Letzt: Welchem Genre würdest du „Schweigend steht der Wald“ zuordnen?
Er wird gerne als Mystery-Thriller betitelt, was bestimmt nicht falsch ist. Natürlich ist er gleichzeitig auch ein Familiendrama. Und definitiv hat der Film auch Horror-Elemente. Ich finde, das Schöne und Besondere daran, dass das alles ineinander verwoben ist, sich vielleicht sogar gegenseitig bedingt. Das Drama erhält durch die Horror- und Thriller-Elemente die nötige Bedeutung.
Vielen Dank für das Gespräch!