Bel-Air – Lohnt sich der „Fresh Prinz von Bel-Air“-Reboot?
Eigentlich sollte dieser Artikel einen etwas anderes Einstieg haben. Aber auf Grund des jüngsten Spektakels um Will Smith, Chris Rock und eine Schelle, die die Oscars schlagartig zum bizarrsten TV-Event des bisherigen Jahres gemacht hat, konnten wir die aktuelle Entwicklung für einen Artikel über sein neustes Projekt als Produzent nicht unerwähnt lassen.
Der ein oder andere von euch hat es möglicherweise mitbekommen: Auf Sky Ticket könnt ihr aktuell den Reboot der allseits beliebten 90er Jahre Serie „Fresh Prince of Bel Air“ gucken. Spannend fand ich für meinen Teil vor allem, dass Will Smith selbst als Produzent der Serie mit dabei war. Jetzt bleibt zu hoffen, dass der Vorfall keinen unglücklichen Schatten auf den Reboot werfen wird und der aktuelle Oscarpreisträger sich mit dieser Vorstellung nicht die Karriere ruiniert hat. Ob er den Goldjungen behalten darf, steht wohl auch noch zur Diskussion, denn seinen Rücktritt aus der Academy hat er bereits verkündet.
Seine Beteiligung an diesem Projekt war für mich tatsächlich ein ausschlaggebender Grund, weshalb ich die neue Serie auf jeden Fall ansehen wollte. Wenn der ehemalige Hauptdarsteller seine eigene Serie noch mal neu produziert, kann das entweder richtig gut oder ein absoluter Griff ins Klo werden.
Wer meine früheren Blogposts kennt, der weiß, dass ich gerne Reboots gucke und bewerte, ob ich sie für gelungen oder einen traurigen Abklatsch ihres Originals halte. Ich habe mir deshalb die ersten vier Folgen vom neuen Prinzen von Bel Air angesehen und kann euch hoffentlich, ohne zu viel zu spoilern bei der Entscheidung helfen, ob ihr einen Blick in den Remake eurer Lieblingsserie aus den 90ern riskieren solltet.
„Bel-Air“: Düsteres Reboot der 90er-Jahre-Serie
Wer eine Comedy Sitcom im Stil der alten Serie erwartet, der wird hier definitiv enttäuscht, denn die Neuverfilmung ist sehr viel ernster und sozialkritischer als ihr Vorgänger. Tatsächlich ist die neue Version vom „Fresh Prinz of Bel Air“ diesmal als Drama eingestuft und hat den Titel kurz und knapp auf „Bel-Air“ gekürzt.
Die Storyline ist zunächst ähnlich, aber nicht 100 % gleich. In beiden Fällen wird Will aufgrund von Auseinandersetzungen mit einer gewaltbereiten Straßengang zu seiner Tante Vivian nach Bel Air im sonnigen Kalifornien geschickt. Während in der alten Serie alles sehr humorvoll mit einem Ball, der in der falschen Gruppe Leute landet, anfing, sieht man in der Neuen bereits nach der ersten halben Stunde, dass es sich hier nicht nur um Friede, Freude, Eierkuchen drehen wird. Die Serie schlägt einen deutlich düsteren Ton als ihr Vorgänger aus den 90ern an.
ACHTUNG SPOILER
Und ab jetzt sollte keiner weiterlesen, der nicht gespoilert werden möchte, denn um ein bisschen auf die Charaktere und ihre Umsetzung einzugehen, bin ich vermutlich dazu gezwungen, euch ein Bisschen vorwegzugreifen.
Fangen wir mit dem Schauspieler des neuen Will Smith an.
Ich finde Jabari Banks als Besetzung für Will einfach grandios. Man merkt ihm definitiv an, dass er die alte Serie kennt und sich Will Smith dort zum Vorbild für seine eigene Interpretation genommen hat. Seine schauspielerische Leistung muss gewürdigt werden, denn er macht seinen Job als Will großartig. Es sind die kleinen aber feinen Nuancen von Bewegungen und Reaktionen, die er absolut perfekt adaptiert hat, und die mir als Zuschauer wirklich das Gefühl geben, dass er perfekt auf diese Rolle passt. Will ist immer noch Will, wenn auch ein bisschen anders, aber das ist gut so.
Die Rolle des Basketball NBA Stipendiaten fand ich grundsätzlich ein kleines bisschen überzogen, aber nicht unrealistisch in amerikanischen Serien. Seinen Grund, weshalb er Philadelphia am Ende des Tages verlassen muss, fühlte sich dagegen etwas gezwungen an. Diese Szene und ihr gesamter Ablauf waren einfach unnötig und eher ein „wir müssen da jetzt irgendeinen Grund reinschreiben, weshalb er aus Philly flüchten muss“. Das hätte sich mit Sicherheit galanter lösen lassen. Für den weiteren Verlauf der Story ist es aber natürlich wichtig, dass es so abläuft. Sein erstes Zusammentreffen mit Familie Banks als er in Bel Air ankommt, fand ich ebenfalls sehr bezeichnend. Der Unterschied zwischen Arm und Reich wird hier wirklich sehr schnell sehr deutlich. Die Banks in der neuen Serie fühlen sich außerdem noch reicher an, als sie es vorher bereits waren. Möglich, dass es jetzt aber einfach noch protziger dargestellt wird.
Einer der ersten Charaktere, die Will kennen lernt ist Geoffrey (gespielt von Jimmy Akingbola), den man aus der alten Serie als den Butler mit trockenem Humor kennt. Im Reboot scheint Geoffrey eher ein Mix aus Butler und Security-Chef der Banks zu sein. Auch hat er definitiv eine dunkle Seite, auf die ich im Verlauf der Serie noch gespannt bin. Er regelt alle Belange für die Familie Banks und weiß immer über alles Bescheid. Er ist einer der wenigen, der Wills wahren Grund für den Umzug kennt. Während der ersten Folgen wird auch deutlich, dass Wills Onkel nicht nur sein Arbeitgeber, sondern auch ein langjähriger Freund ist.
Er bezahlt Wills Mitfahrgelegenheit Jazz (gespielt von Jordan L. Jones), der ihn am Flughafen aufgegabelt und ans Anwesen seiner Verwandten gefahren hat. Ja, auch er ist wieder mit von der Partie. Diesmal jedoch noch nicht als Wills bester Freund, was natürlich noch werden kann, sondern als etwas älterer Ortsansässiger aus Los Angeles, der nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurde. Ob er im weiteren Verlauf zu Wills neuem besten Freund aus L.A. wird bleibt abzuwarten.
Drinnen angekommen platzt er in eine große Party und wird von Tante Vivian (gespielt von Cassandra Freeman) abgefangen. Anders als die Tante Viv die wir aus der alten Serie kennen, unscheinbar und eher eine Randfigur, ist diese Tante definitiv eine Michelle Obama. Sie ist wunderschön, intelligent, aufopferungsvoll für ihre Kinder und ihren Mann und definitiv kein beiläufiger Nebencharakter. Sie unterrichtet Kunstgeschichte an der Uni und war selbst eine gefeierte Künstlerin, bevor sie mit Hilary schwanger wurde. In den ersten Folgen zeichnet sich ab, dass es zu ihrer künstlerischen Ader und ihren Freunden aus dieser Zeit noch einen Plot geben könnte.
Um Will partytauglich zu machen bringt sie ihn deshalb zu seiner Cousine Hilary (gespielt von Coco Jones) die für meinen Geschmack mit Abstand am besten getroffen wurde. Wenn ich an die alte Hilary zurückdenke, habe ich diesen Charakter gerne mit der Dumpfbacke aus „Eine schrecklich nette Familie“ gleichgesetzt. Ich mochte sie absolut nicht und hätte Hilary nicht durch ihre Eltern bedingt die finanziellen Mittel zu ihrer TV-Karriere gehabt, wäre sie Kellys beste Freundin geworden. Vielleicht konnte ich mich damals aber auch nicht mit ihr identifizieren, weil sie für mich zu alt war.
Umso greifbarer fand ich Hilary 2.0 deshalb. Sie ist passend für 2022 It-Girl und angehenden Influencerin. Damit wurde ein recht passendes Pendant zur Wetterfee und Talkshowmoderatorin der 90er gefunden. Untypisch für das ehemalige Püppchen ist ihre Leidenschaft fürs Backen und Kochen in der Neuauflage. Sie befindet sich gerade in ihrer Selbstfindungsphase und hat das College geschmissen, da es „einfach nicht ihr Weg“ ist. Für ihre ehrgeizige Mutter ein Unding, dennoch hätte man den aktuellen Zeitgeist kaum besser in einen Charakter verpacken können.
Nachdem Hilary also Wills Umstyling vorgenommen hat und ihm ein paar Klamotten „in die Carlton niemals reinwachsen wird“ verpasst hat (ja, auch in dieser Serie ist Carlton einfach etwas kurz geraten), trifft Will auf der Party seinen Onkel.
Die neue Version von Philip Banks (gespielt von Adrian Holmes) ist deutlich erschlankt, wenn wir uns an den alten Onkel Phil erinnern, aber auch dieser Philip ist nach wie vor Jurist und aktuell auf Wahlkampftour für den Bezirksstaatsanwalt. Schon in den ersten Szenen wird deutlich, dass er sich für Will in eine rechtlich sehr dunkle Grauzone begeben hat, die ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit noch auf die Füße fallen wird. Onkel Phil steht Will zunächst sehr kritisch gegenüber findet den Draht zum Neffen seiner Frau aber erstaunlich viel schneller, als ich es erwartet hatte.
Das passiert sehr zu Missfallen von Carlton (gespielt von Olly Sholotan). Ganz anders als Alfonso Ribeiros Darstellung ist diese Version sehr viel düsterer. Carlton ist superehrgeizig und beliebt in seiner Schule, der Bel Air Academy. Gleichzeitig scheint er aber eine große Portion Unsicherheit und Selbstzweifel mit sich herumzutragen. Er hat definitiv ein Drogenproblem und im weiteren Verlauf der ersten Folgen auch massiv eines mit Will. Er will ihn nicht um sich haben, versucht seinen Einstieg an der Schule zu sabotieren und ist ungewohnt feindselig.
Das liegt nicht zuletzt an Lisa (gespielt von Simone Joy Jones), seiner Exfreundin und Tochter von Vivians langjähriger, aber mittlerweile verstorbenen Freundin. Will trifft Lisa am Buffet, während er sich ein Philly-Cheese-Steak Sandwich bestellt. Man muss kein Hellseher sein, um zu wissen, dass Lisa im Verlauf dieser Serie immer zwischen den beiden Cousins stehen wird. Sie ist Stipendiatin an der Bel Air Academy, dort absolut nicht so beliebt wie Carlton, da sie nicht aus einer reichen Familie stammt und sie trainiert im Schwimmteam für die Olympia Qualifikation.
Zu guter Letzt, um den Hauptcast zu vervollständigen, komme wir zu Ashley (gespielt von Akira Akbar). Wills Cousine ist 12 Jahre alt und ähnlich strebsam wie ihre frühere Version. Sie ist auf den ersten Blick ein typisches Kind, dass gerne Fortnite spielt und überlegt, wie es den Butler heimlich austricksen kann. Gleichzeitig steckt in Ashley aber auch eine kleine Umweltaktivistin, die bei Fridays for Future mit hoher Wahrscheinlichkeit in der ersten Reihe steht und gerade Erfahrungen mit ihren ersten Schwärmereien macht. Wie relevant ihr Charakter für den Gesamtplot in Zukunft wird, ist schwer abschätzbar. Für den Anfang wirkt sie eher wie eine Randfigur, die vollständigkeitshalber hinzugefügt wurde.
„Bel-Air“: Solide aber kein Grund für ein Sky-Abo
Ich kann nach den ersten vier Folgen auf jeden Fall sagen, dass sich mein Sky Ticket Abo jetzt doch noch ein wenig rentiert hat und ich die Serie auf jeden Fall zu Ende schauen werde. Ob sich der Abschluss eines Abos allein für diesen Reboot lohnt, wage ich aber zu bezweifeln.
Tatsächlich interessiert mich der Charakter Will und die Dreierkonstellation mit Carlton um Lisa nicht so sehr. Ich fühle mich dabei ein wenig in Vampire Diaries Zeiten zurückversetzt, als die Salvatore Brüder um Elenas Gunst gebuhlt haben und das ist nicht unbedingt ein Kompliment. Gecatcht hat mich persönlich die Story um Tante Viv und Onkel Phil, als auch um Hilary und ich bin sehr gespannt, wie sich das Feuer zwischen diesen Charakteren noch entwickeln wird.
Wer Sky Ticket also ohnehin besitzt und mit sich hadert, ob er dem Reboot trotz seines Vorgängers eine Chance geben sollte, kann ich nur sagen: Ja. Wenn ihr keine lustige Sitcom erwartet, sondern einer sozialkritischeren Dramaversion mit den altbekannten Charakteren eine Chance geben möchtet, dann Go for it!